Sacha Lüthi, Teamleiter Logistik im Brüggli Romanshorn
Die Begleitung der Klient/innen, die sich im Asylverfahren befinden, sei komplex. Nicht nur sprachliche, auch kulturelle Hürden müssen gemeistert werden. Verschiedene Lebenseinstellungen und Wünsche prallen auf eine herausfordernde Realität. Im Kanton Zug sei das Thema Wohnen respektive Wohnungssuche grundsätzlich schwierig, da allgemein im ganzen Kanton ein Mangel an günstigem Wohnraum herrscht. Als Wohnbegleiter wollen beide trotzdem dazu beitragen, dass die Zufriedenheit der Klient/innen hoch ist. Diese Vereinbarkeit sei oft schwierig. Gerade wenn familieninterne oder andere Sorgen dazukämen.
Migration und Veränderung
Ihr eigener Migrationshintergrund sei hilfreich im Umgang mit den Klient/innen, finden beide. Mit seinen bosnischen Wurzeln hat Almir Becic Verständnis, wenn seine Klient/innen sich manchmal unverstanden fühlen. Er sagt aber: «Mir ist wichtig, dass Klient/innen die Landessprache lernen, eine Stelle erhalten und sich so Schritt für Schritt ein strukturiertes Leben aufbauen. » Er selbst lernte Bäcker, blieb sieben Jahre im Beruf, war dann Produktionsmitarbeiter in einer Fabrik. Als die geschlossen wurde, nahm er sich eine Auszeit für sein damals neugeborenes Kind.
Auch für Artan Prenaj, in Kosovo geboren, war das Thema Zuwanderung entscheidend, sich als Wohnbegleiter zu engagieren. Seine neue Rolle ist für den gelernten Prozessfachmann, dipl. Techniker HF Unternehmensprozesse und Management, die perfekte berufliche Neuorientierung. «Als dann 2020 der Changeprozess in der Abteilung kam, wollte unsere damalige Amtsleiterin uns beide behalten. Wir hatten praktische Erfahrung − aber keinen Abschluss im Sozialbereich. Also empfahl sie uns, die Ausbildung zum Sozialbegleiter», erzählt Artan Becic. Weil ihnen die Ausbildung finanziert wurde, haben sich beide zu einer längeren Zusammenarbeit mit ihrem Arbeitgeber verpflichtet.
Artan Prenaj, Wohnbegleiter und Sozialbegleiter in Ausbildung
Lerntipps vom Sohn
Privat haben beide eine Familie mit Kindern im Schulalter. Dort spüren sie auch die grössten Entbehrungen während der Ausbildungszeit. Hobbies, Fussball oder Fitness etwa treten kürzer. Artan Prenaj witzelt: «Ich frage mich, ob es am Alter liegt, dass die Energiereserven stärker angezapft werden. Manchmal kommt mein Sohn und fragt, welche Note ich geschrieben habe. Da muss ich echt aufpassen, denn er soll ja schliesslich auch gute Noten heimbringen. Er gibt mir ausserdem Lerntipps, sagt auch, dass ich genug schlafen und auf meine Ernährung achten soll.»
Sowohl Almir Becic als auch Artan Prenaj möchten ihren Kindern ein gutes Vorbild sein und beweisen mit ihrer Weiterbildung gleich selbst, dass nach der obligatorischen Schule nicht Schluss sein muss mit Lernen. In der Ausbildung zum Sozialbegleiter profitieren beide von ihrer grossen bisherigen Praxiserfahrung. Nun gehe es um neue Methoden, Werkzeuge und Details. «Ich kann Probleme jetzt auf verschiedene Arten angehen. Mir gibt es das Vertrauen, dass ich mich richtig verhalte, also Sicherheit im Tun», sagt Artan Prenaj. Almir Becic ergänzt: «Durch unsere bisherigen Erfahrungen haben wir sicher einen sehr pragmatischen Ansatz. Unsere Mitstudent/innen bewerten Situationen manchmal anders. Aber wir profitieren alle voneinander. Mein Horizont hat sich auf jeden Fall erweitert.»
Artan Prenaj meint: «Der Berufsalltag ist hektisch. Alles muss immer schnell erledigt sein. Da kann es passieren, dass man die kleinen Erfolgsschritte der Klient/innen übersieht. Jetzt habe ich eine neue Sichtweise und bin achtsamer geworden. Ich grenze mich aber auch besser ab.»
Almir Becic, Wohnbegleiter und Sozialbegleiter in Ausbildung
Mehr Männer für eine gute Durchmischung
Beide sind sich einig: Der Arbeitsalltag des Teams werde nie langweilig. Zwischen vier- bis fünfhundert Personen betreuen sie im ganzen Kanton Zug. Alle Besuche werden erfasst und der interdisziplinäre Austausch zu anderen Stellen sichergestellt. Dass sie ein gemischtes Team aus Frauen und Männern sind, sei ein grosser Vorteil. Je nach Fall sei der Besuch von Mann oder Frau oder im gemischten Team sinnvoll. Almir Becic meint: «Je nach Kulturkreis der Klient/innen kann es für Frauen schwieriger sein sich durchzusetzen. In traditionellen Familienmodellen spricht oft der Mann für die ganze Familie. Und die akzeptieren eher andere Männer in schwierigen Gesprächen. Darum finde ich eine gute Durchmischung im Team wichtig.» Auch andere Aspekte beobachten die beiden. Die Akzeptanz der Klient/innen sei grösser, wenn man ihnen mit Respekt und Empathie begegne.
Beide fänden es wertvoll, wenn es mehr Männer in den Sozialberufen gäbe. Auch wünschen sie sich mehr Beachtung für ihre Arbeit. «Denn es steht doch die Selbstbefähigung der Klient/innen im Vordergrund», sagt Artan Prenaj. Je schneller diese nicht mehr von der Sozialhilfe abhängig seien, umso mehr käme dies allen in der Gesellschaft zugute.