Katrin Röhm, Sozialarbeiterin
Studium mit Vorurteilen
Kenny Greber wollte Sozialpädagogik studieren und meldete sich für ein Studium an einer Fachhochschule an. «Ich dachte, dass ein Studium an der Fachhochschule mehr Wert hat.» Gleichzeitig bestand er aber auch die Aufnahmeprüfung an der Agogis und entschied sich für die Ausbildung mit dem stärkeren Praxisbezug. Im Jahr 2012 startete er und machte eine für ihn zentrale Erfahrung – er bestand die erste Prüfung nicht. Etwas, das er aus seiner Schulzeit nicht kannte. «Mir wurde klar, dass ich eine andere Ambition für das Sozialpädagogik-Studium brauchte.» Weg vom reinen Auswendiglernen, setzte er sich vertieft mit sich selbst und den vermittelten Themen auseinander.
Er spürte, dass er im richtigen Berufsfeld angekommen war und hängte kurz nach Ausbildungsabschluss 2015 den CAS Beratungstraining an einer Fachhochschule an. «Um den persönlichen Knacks zu beheben », ergänzt er mit einem Schmunzeln. Es folgte die Weiterbildung zum Praxisausbildner und der zweite CAS Mediation. Ein dritter CAS würde ihn zum MAS in psychosozialer Beratung führen, er schiebt diesen aber vor sich hin. Der 39-Jährige ist nämlich kürzlich zum zweiten Mal Vater geworden und hat zwei anspruchsvolle Jobs. Ausserdem liest er gerne Fach- und Philosophie-Bücher, kocht und pflegt den Garten.
Unverhofft zum Friedensrichter
Ohne grosse Erwartungen bewarb sich Kenny Greber 2018 für das Friedensrichteramt an seinem Wohnort Weinfelden – und wurde gewählt. Das neue 50-Prozent-Pensum liess sich nicht mehr mit seiner Arbeit in der Wohngruppe vereinbaren. Er schaute sich nach einer zweiten Teilzeitstelle mit Führungsanteil um. In der Schule in der Ey, nahe beim Zürcher Stadtspital Triemli, wurde er fündig. Seit Ende 2018 leitet er den Fachbereich Betreuung und führt 25 Mitarbeitende mit 50 Stellenprozent. «Das geht nur mit sehr strukturierten Tagen und kompetenten Mitarbeitenden.» Kenny Greber führte Ressorts ein, um seine fünf Hortleitungen mehr zu stärken und sich selbst in der Verantwortung als Fachleiter zu positionieren. Ein Puffer hat er jeweils für Tagesaktuelles eingeplant, und die Mitarbeitenden wissen, dass er auf E-Mails innerhalb von 48 Stunden reagiert. Am Anfang habe er jeden Tag für die Schule gearbeitet, was aber irgendwann nicht mehr ging. Auch Whats-App-Chat hat er abgeschafft. Fiel beispielweise eine Betreuerin aus, wurde via Chat nach einem Ersatz gesucht – an sieben Tagen die Woche, auch abends. «Das löste im sonst schon dynamischen Schulumfeld enormen Druck auf alle aus.» Eine Situation auch mal aushalten zu können, habe die Schulkultur weitergebracht. Auch seine bis anhin sehr bedürfnisorientierte Reaktions- und Kommunikationsart musste er umgestalten. Die Jobs als Friedensrichter und Leiter Betreuung befruchten sich gegenseitig. Während die Arbeit als Friedensrichter hauptsächlich aus abschliessenden Aufgaben besteht, ist in der Schule mehr prozesshaftes Arbeiten gefragt. Als Friedensrichter muss er Strukturen einhalten, organisieren, Gespräche korrekt leiten und genau abwägen, wann er wie etwas sagt. Zudem muss er sich immer wieder mit seinen eigenen Vorurteilen auseinandersetzen, fair und unparteilich handeln. Gerade bei der Personalführung in der Schule kann er von diesen Kompetenzen profitieren. Seinen Hortleitungen steht er bei Konflikten beratend zur Seite, lässt sie diese, wenn möglich, aber allein lösen.
Kompetenzen für die tägliche Arbeit
Mit der Agogis ist Kenny Greber bis heute verbunden. Zusammen mit zwei weiteren ehemaligen Studierenden gehört er zu «Alumni Potential» – ein neues Programm, um Ehemalige einzubinden. Während zwei Jahren verpflichtet sich Kenny Greber zu 150 Stunden Dozenten-Arbeit, besucht jeweils samstags den Kurs SVEB 1 zum Erwachsenenbildner und nimmt an Fixpunkten im Agogis-Jahresprogramm teil. Von den erlernten Kompetenzen im Sozialpädagogik-Studium profitiert er noch heute.
«Das geplante Intervenieren, Diversität und Selbstreflektion wurden an der Agogis wunderbar angeleitet», sagt Kenny Greber. Die Schule in der Ey unterrichtet und betreut Kinder von Akademikern, sozial schwachen Familien, verhaltensauffällige Kinder und solche mit körperlichen Beeinträchtigungen. «Dieses Bewusstsein für Diversität ist zentral als Sozialpädagoge», ist Kenny Greber überzeugt und: «Wenn mich heute etwas triggert, schaue ich zuerst in mich hinein. Die Arbeit mit Menschen beginnt bei sich selbst.»